KUBICKI-Kolumne: Bravo, Frau Prien!

KUBICKI-Kolumne: Bravo, Frau Prien!

Gast (nicht überprüft)

Sa., 12.07.2025 – 12:00

Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki schrieb für Cicero Online folgende Kolumne:

In dieser Woche sind einige Zahlen durch die Presse gegangen, die niemanden wirklich überraschen können, aber dennoch hoch alarmierend sind. Zum einen wird in der Polizeilichen Kriminalstatistik inzwischen die sogenannte „Tatverdächtigenbelastung“ erhoben – also der Anteil an Tatverdächtigen innerhalb bestimmter Bevölkerungsgruppen. So begrüßenswert es ist, dass dieser Wert mittlerweile erfasst wird, so politisch fahrlässig ist es, der AfD zu überlassen, die genauere Ausdifferenzierung dieser Zahlen einzufordern, anstatt sie von sich aus transparent zu kommunizieren. Genau das ist jedoch geschehen. Nun wissen wir auf Nachfrage der AfD von der Bundesregierung, dass die Tatverdächtigenbelastung bei Menschen mit afghanischer oder syrischer Staatsangehörigkeit etwa viermal so hoch ist wie bei Personen mit deutscher Staatsbürgerschaft.

In einem Rechtsstaat ist es glücklicherweise ein weiter Weg vom Tatverdacht bis zur Verurteilung. Deshalb bleibt die Aussagekraft der Polizeilichen Kriminalstatistik begrenzt. Dennoch ist sie ein bedeutender Indikator, und dieser schlägt in diesem Fall tiefrot aus. Besonders deutlich wird das bei Jugendlichen: In der Straßenkriminalität liegt die Tatverdächtigenbelastung bei jungen Algeriern 56-mal (!) höher als bei jungen Deutschen, bei Marokkanern 19-mal und bei Syrern siebenmal so hoch.

In der „Welt“, die diese Zahlen erstmals aufbereitete, wurde zurecht darauf hingewiesen, dass bei der Interpretation gewisse Faktoren zu berücksichtigen sind – etwa, dass die betreffenden Bevölkerungsgruppen im Durchschnitt jünger und männlicher sind als die deutsche Gesamtbevölkerung. Doch bei der Ursachensuche scheint mir vor allem der Zusammenhang mit einer zweiten, ebenfalls schockierenden Zahl ausschlaggebend, die ebenfalls diese Woche publik wurde: In Bayern wurden erstmals Sprachtests vor der Einschulung durchgeführt – mit dem niederschmetternden Ergebnis, dass fast 20 Prozent der Vorschulkinder nicht ausreichend Deutsch sprechen können. Und das wohlgemerkt in Bayern – einem Bundesland, das in dieser Entwicklung vermutlich nicht einmal Spitzenreiter ist.

Es wird überdeutlich: Das Versagen in der Migrationspolitik seit Angela Merkel wirkt sich zunehmend und massiv auf alle Bereiche unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens aus. Daher ist es gut, dass über Migration gesprochen wird. Doch die angekündigte und teilweise eingeleitete „Migrationswende“ wird diese Probleme allein nicht lösen können – unabhängig davon, wie wirksam oder erfolgreich sie sich letztlich gestaltet. Genauso wichtig – und von weiten Teilen der Politik und Medien noch immer sträflich vernachlässigt – ist eine ehrliche und ernsthafte Debatte über Integration. Und zwar mit mehr Realitätssinn als bisher, jenseits der Merkelschen Formeln wie „Wir schaffen das“ oder „Nun sind sie halt da“. Was bestenfalls beruhigend gemeint war, hat letztlich zu einer politisch lähmenden Schläfrigkeit bei der Bewältigung der Probleme geführt.

Natürlich gibt es regelmäßig Forderungen nach mehr Sozialarbeitern oder niedrigschwelligen Integrationsangeboten. Doch diese reflexartigen Appelle offenbaren vor allem eines: Ratlosigkeit. Denn so lange die Struktur nicht angegangen wird, in denen diese Probleme entstehen, so lange werden auch zusätzliche Maßnahmen kaum Wirkung entfalten. Gemeint sind vor allem die quantitativen Überforderungen in bestimmten Stadtteilen – sichtbar zuerst in den Schulen, später aber auch in der Kriminalitätsentwicklung und sozialen Struktur. Es ist unerträglich, dass große Teile der politischen Klasse sich damit abzufinden scheinen. Sie geben nicht nur bestimmte Stadtteile auf, sondern auch weite Teile einer Generation, deren Bildungsbiografien irreparabel geschädigt werden.

Wenn der American Dream das Versprechen ist, vom Tellerwäscher zum Millionär aufzusteigen, dann war der deutsche Traum stets das Aufstiegsversprechen durch Bildung, Ausbildung und Fleiß. Ich weiß, wovon ich spreche – ich habe selbst von diesem Versprechen profitiert. Und ich weigere mich, zu akzeptieren, dass nachfolgende Generationen immer weniger darauf bauen können – sei es, weil sie Schulen besuchen, in denen ein großer Teil der Schüler kaum Deutsch spricht, oder weil sie selbst keine Chance auf das Erlernen der deutschen Sprache erhalten, da sie in Parallelgesellschaften festsitzen, in denen weder Deutsch noch unsere freiheitlich-demokratischen Werte vermittelt werden.

Gerade weil das Problem so offensichtlich ist, erstaunt es, wie halbherzig oder gar nicht über Lösungen diskutiert wird. Schon 2023 hat meine damalige Fraktion unter Federführung von Konstantin Kuhle ein Positionspapier erarbeitet, das sich am dänischen Modell orientiert. Es sieht unter anderem die gezielte Verteilung von Migranten auf Stadtteile vor, um die Entstehung von Parallelgesellschaften zu verhindern. Außerdem soll sichergestellt werden, dass in Schulen eine bestimmte Quote an Kindern, die kein oder nur wenig Deutsch sprechen, nicht überschritten wird. Dieser Vorschlag setzt an der Wurzel des Problems an und wurde in Dänemark bereits mit Erfolg umgesetzt. Warum also nicht ernsthaft darüber reden und es umsetzen?

Als jemand, der an dem Papier mitgearbeitet hat, habe ich den Vorschlag wiederholt öffentlich eingebracht. Prompt lautete die Schlagzeile: „Kubicki fordert Migranten-Deckel in Stadtteilen“. Die reflexhafte Ablehnung ließ nicht lange auf sich warten. In der Sendung „Maischberger“ wurde mir von Moderatorin und Janine Wissler bedeutet, das sei ohnehin nicht umsetzbar – als handele es sich um eine weltfremde Fantasterei. Da half auch der Hinweis nicht, dass bereits unter der sozialliberalen Koalition unter Willy Brandt Höchstquoten in bestimmten Großstädten eingeführt wurden – auf einer Rechtsgrundlage, die bis heute gilt – und dass das dänische Modell praxiserprobt ist. Die Diskussion war schnell beendet.

Mit unseren damaligen Koalitionspartnern war über solche Themen ohnehin nicht ernsthaft zu sprechen. Dabei sieht jeder vernünftige Mensch, dass Multikulti als Konzept gescheitert ist – und sogar gefährlich wird, wenn unsere auf dem Grundgesetz basierende Wertekultur keine integrierende Wirkung entfaltet. Nicht alle, aber große Teile von Rot-Rot-Grün halten aus ideologischer Verblendung oder politischer Naivität an dieser Lebenslüge fest.

Ideologisch verbohrt verläuft auch die Debatte innerhalb der AfD. Dort wird derzeit öffentlich darüber gestritten, was „deutsch sein“ bedeuten soll – etwa, ob auch deutsche Staatsbürger von der propagierten Remigration betroffen sein sollen, wenn sie ausländische Vorfahren haben. Das Maß an identitätspolitischem Schwachsinn ist in der AfD offensichtlich schon übervoll. Nationalisten sind eben auch Kollektivisten – mit einem eng definierten Kreis, wer Teil des Kollektivs sein darf. Das ist genauso wenig hilfreich wie die diffuse Multikulti-Ideologie der anderen Seite.

Die AfD kommt laut aktuellen Umfragen auf rund 24 Prozent – so viel wie Grüne und Linke zusammen. Zählt man jene Teile der SPD hinzu, die sich auch aus ideologischen Gründen einer Lösung verweigern, wird deutlich: Es gibt in Deutschland eine parlamentarische Mehrheit, die das Problem strukturell nicht angehen will – oder es bewusst ignoriert.

Umso bemerkenswerter ist es, dass ausgerechnet Karin Prien, die ich an dieser Stelle auch schon deutlich kritisiert habe, sich nun für Quoten an Schulen ausspricht. Sie sagte wörtlich: „Ich finde, da macht es immer Sinn, sich die Erfahrungen aus anderen Ländern anzugucken – ob das 30 Prozent oder 40 Prozent dann am Ende sind.“ Entscheidend sei am Ende, wie viele Kinder in einer Schule tatsächlich Deutsch sprechen. Und dazu kann ich nur sagen: Bravo! Nicht nur, weil ich diese Idee seit Jahren vertrete, sondern weil sie den Mut hatte, es auszusprechen, obwohl sie genauso um die politische Gemengelage weiß wie ich.

Bezeichnend ist jedoch, dass der deutlichste Widerspruch ausgerechnet von den Bildungsministern der CDU und der Freien Wähler kam – nicht ideologisch motiviert, sondern mit dem Verweis auf eine angeblich fehlende Umsetzbarkeit. Vielleicht erinnert Frau Prien ihre Länderkollegen einmal daran, dass niemand gezwungen ist, ein Regierungsamt zu übernehmen – und dass, wer sich organisatorisch überfordert fühlt, dort möglicherweise fehl am Platz ist. Aber auch Frau Prien ist jetzt in der Pflicht nicht lockerzulassen. Sie sollte alle Landesminister unverzüglich an einen Tisch holen. Es muss geklärt werden, was auf geltender Rechtslage möglich ist, und wo gesetzgeberisch gehandelt werden muss. Und dann muss vor allem endlich angefangen werden. Es ist fünf nach zwölf.

Bildung
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Sicherheit

Wolfgang Kubicki

Über die Debatte zu Quoten in der Migrations- und Bildungspolitik.