KUBICKI-Interview: Es steht nicht gut um die Meinungsfreiheit

KUBICKI-Interview: Es steht nicht gut um die Meinungsfreiheit

Gast (nicht überprüft)

Sa., 12.07.2025 – 17:00

Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki gab „Web.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Fabian Hartmann:

Frage: Herr Kubicki, wie sehr schmerzt es Sie noch, dass die FDP nicht mehr im Bundestag ist?

Kubicki: Der Schmerz wird erst in einigen Monaten nachlassen. Vor allem, weil ich sehe, was gerade im Bundestag passiert. Persönlich schmerzt es mich, dass ich an den Debatten im Plenarsaal – etwa zur Entlastung bei der Stromsteuer, zum Haushalt oder zur Migration – nicht teilnehmen kann. Das wäre ein wirkliches Fest für mich.

Frage: Die Bürger vermissen die FDP bislang nicht. Die Umfragen stagnieren weiterhin bei drei bis vier Prozent.

Kubicki: Es stimmt, wir sind reduziert auf unsere Kernwählerschaft. Andererseits: Ich kann mich noch gut an das Jahr 2013 erinnern, als wir das erste Mal aus dem Bundestag geflogen sind. Danach wurden wir eine Zeitlang nicht mal mehr ausgewiesen in den Umfragen, so wenig Zuspruch gab es. Es kommt jetzt darauf an, dass sich die FDP neu aufstellt. Das wird noch einige Monate dauern, aber es wird schneller gehen als 2013.

Frage: Friedrich Merz ist mit Milliarden-Schulden ins Kanzleramt eingezogen. Die FDP mit ihrem marktwirtschaftlichen Profil profitiert davon aber nicht. Kein gutes Zeichen, oder?

Kubicki: Die Freien Demokraten steigen nicht wie Phoenix aus der Asche auf, weil Friedrich Merz einen schlechten Start hatte. Fakt ist: Die Ampel war die unbeliebteste Koalition aller Zeiten. Jetzt ist sie weg und die Wähler müssen sich neu orientieren. Für uns geht es darum, Vertrauen zurückzugewinnen. Und zu zeigen, dass wir es ernst meinen.

Frage: Sie haben ein Buch geschrieben mit dem Titel „Aufwind im freien Fall“. Darin geht es auch um das Comeback der FDP. Wie soll das gelingen – woher soll der Aufwind kommen?

Kubicki: Wir müssen uns auf die Kernthemen konzentrieren, die uns in der Vergangenheit erfolgreich gemacht haben. Dazu gehören: die Verteidigung der Grundrechte und der Einsatz für wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Das ist die DNA der FDP. Daneben braucht es Persönlichkeiten, die diese vertreten und die sich im politischen Betrieb ausreichend Gehör verschaffen können.

Frage: Die FDP soll sich, so schreiben Sie, als „freiheitliche Kampfeinheit“ positionieren. Was ist damit gemeint?

Kubicki: Zuallererst, dass wir den Finger immer wieder in die Wunde legen. Und im Regierungshandeln das Programm umsetzen, für das wir gewählt werden. In der Ampel war es so: Wir haben weniger Bürokratie versprochen und an manchen Stellen auch abgebaut, aber unter dem Strich wurde es mehr. Wir haben zwar Steuerentlastungen erreichen können, durch die Inflation haben es viele Menschen aber nicht gemerkt. Wir wollten – gerade in der Corona-Zeit – die Grundrechte verteidigen und haben uns dann doch darauf eingelassen, mit Karl Lauterbach über eine allgemeine Impfpflicht zu diskutieren, obwohl der Fremdschutz der Impfungen schon infrage gestellt war. Das hat Verwerfungen in unserer Wählerschaft ausgelöst.

Frage: Auch der Kampf um die Meinungsfreiheit spielt eine große Rolle für Sie. Ihre These: Es gibt Einschränkungen.

Kubicki: Schauen Sie sich die Meinungsumfragen dazu an. Eine Mehrheit ist der Ansicht, nicht mehr alles frei sagen zu können. Das war vor zehn oder 15 Jahren noch anders. Es gibt keine unmittelbare staatliche Einschränkung der Meinungsfreiheit, aber auch hier sind wir auf einem schlechten Weg. Für ein „Schwachkopf“-Meme – wie im Fall von Robert Habeck – rückt schon mal die Staatsanwaltschaft an. Sie können sich aber genauso fragen, warum man das „N-Wort“ nicht mehr sagen darf -nicht einmal als historisches Zitat-, ohne sozial geächtet zu werden. Oder ob Winnetou bei den Karl-May-Festspielen noch als Indianer bezeichnet werden darf.

Frage: Im Fall des „N-Worts“ ist die Sache klar. Es ist eine rassistische Beleidigung. Die Gesellschaft ist heute eben weiter.

Kubicki: Nicht der Begriff ist eine Beleidigung, sondern die Art und Weise, wie er verwendet wird. Ich kann auch „People of Color“ als Beleidigung meinen. Nicht Begriffe diskreditieren die Würde des anderen. Es geht um Auftreten, Kommunikation und die Herangehensweise an andere Menschen – aber nicht um einzelne Wörter.

Frage: Muss die FDP in den Kulturkampf einsteigen?

Kubicki: Was heißt Kulturkampf? Sie muss vor allem die Meinungsfreiheit verteidigen. Und ja, eine Gesellschaft muss auch abstruse und sogar verwerfliche Meinungen aushalten. Erwachsene Menschen können sich selbst ein Bild davon machen, was richtig oder falsch ist. Das kann der Staat nicht vorgeben. Wir haben auch kein Wahrheitsministerium. Ich plädiere für mehr Gelassenheit. Und wir sollten aufhören, bestimmte Gruppen oder Personen auszugrenzen, weil uns deren Meinung nicht gefällt. Wenn die Meinungsfreiheit durch einen Kulturkampf bedroht wird, darf die Partei der Freiheit dazu nicht schweigen.

Frage: Im Bundestag sind die Ränder stark und laut. Der FDP fehlt das Parlament als Bühne. Wie soll sich Ihre Partei Gehör verschaffen – mit mehr Populismus?

Kubicki: Wir müssen pointierter formulieren. Sprache macht vieles möglich. Es braucht nicht immer seitenlange Papiere. Manchmal reichen zwei Sätze. Wir müssen auch in anderen Formaten kommunizieren. Die Spitze meiner Partei hat inzwischen erkannt, dass es ein Fehler war, Social-Media-Kanäle wie TikTok den Rechten und Linken zu überlassen. Die waren dort sehr erfolgreich. Heute erreichen Sie eben viel weniger Menschen über traditionelle Medien. Meine Rede im Bundestag zum Zustrombegrenzungsgesetz wurde in den sozialen Netzwerken fünf Millionen Mal angesehen. Das hätte ich bei Phoenix wahrscheinlich nie erreicht.

Frage: Ein Problem aber bleibt: Die FDP wirkt zerrissen. Es gibt ein progressives und ein konservatives Lager – mit ganz unterschiedlichen Ansichten.

Kubicki: Es gibt in jeder Partei unterschiedliche Auffassungen. Ein Beispiel: Marie-Agnes Strack-Zimmermann und ich sind beide Anhänger der klaren Sprache. In einigen wenigen Fragen haben wir nicht die gleiche Meinung. Sonst schreiten wir aber Seite an Seite. Oder nehmen wir Johannes Vogel. Er gilt als progressiv – und denkt in manchen Dingen deutlich konservativer als ich mit meinem sozialliberalen Hintergrund. Wir sind alle Liberale. Und das sollten wir uns nicht gegenseitig absprechen.

Frage: Was ist, wenn es die FDP in vier Jahren nicht wieder in den Bundestag schafft? War es das dann mit dem politischen Liberalismus in Deutschland?

Kubicki: Dann hätten wir auf jeden Fall ein Problem. Es ist auch kein Selbstläufer, dass die FDP wieder in den Bundestag kommt. Aber wir können es schaffen. Die Stimmung in der Partei ist besser als 2013. Wir haben ein neues Team. Und ich bekomme viel Zuspruch, dass wir fehlen und gebraucht werden. Wissen Sie: Ich habe 55 Jahre FDP-Politik hinter mir. Ich kämpfe darum, dass meine Partei das Comeback schafft. Denn ich möchte meine politische Karriere mit einem Wahlsieg beenden – und nicht mit einer Niederlage.

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Wolfgang Kubicki

Über die Meinungsfreiheit in Deutschland und die Zukunft der FDP.