DÜRR-Interview: Menschen mit geringem Einkommen durch eine Aktienrente absichern
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Do., 10.07.2025 – 07:43
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Dürr gab der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Donnerstag-Ausgabe) und „noz.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Jonas E. Koch:
Frage: Herr Dürr, wie läuft die Wiederauferstehung der FDP aus Ihrer Sicht bisher?
Dürr: Die FDP ist mitten in einer Veränderung, wie das Land auch. Wir arbeiten gerade an der Neuaufstellung der Partei. Dazu gehört auch, dass wir an einem neuen Grundsatzprogramm arbeiten.
Frage: Ohne die Mandate im Bundestag kommen die Liberalen naturgemäß weniger vor. Haben Sie Sorge davor, dass man die FDP vergisst?
Dürr: Mein Ziel ist es nicht, dass ich einfach mit irgendeiner spitzen Forderung, die in der Überschrift gut klingt, vorkomme. Ich glaube, das ist genau das, was Menschen nervt: Man hat das Gefühl, Politiker unterhalten sich mit Politikern über Politik. Aber was hat das eigentlich mit mir zu tun? Und diese Frage muss Politik wieder beantworten. Es geht deshalb nicht um die eine Schlagzeile, sondern es geht darum, die Lebenswirklichkeit der Menschen wirklich zu verbessern.
Frage: Vielleicht kann man sich von der Linkspartei etwas abschauen? Die waren ja auch schon fast vergessen…
Dürr: Die Linkspartei ist gerade erfolgreich, hat aber auch nur gutes Marketing für ein uraltes Konzept. Und das ist in den letzten 70 Jahren weltweit immer wieder gescheitert. Das ist alter Wein in neuen Schläuchen. Aber Sozialismus auf TikTok bleibt Sozialismus.
Frage: Was soll sich denn mit dem neuen Grundsatzprogramm bei der FDP ändern?
Dürr: Wir haben nicht das Ziel, philosophischen Fragen nachzugehen, sondern sehr konkrete Reformvorschläge für das Land zu entwickeln. Ich glaube, die Menschen sind müde, wenn sich Politiker immer wieder über Dinge unterhalten, die schon seit 10 Jahren diskutiert werden. Es braucht Neues. Deshalb bin ich gerade viel im Land unterwegs, um mit den Menschen zu sprechen.
Frage: Um Ideen zu sammeln?
Dürr: Politik neigt dazu, sehr viel zu senden und das Zuhören kommt manchmal zu kurz. Im politischen Berlin wird oftmals in Berlin sehr global diskutiert, ohne die realen Auswirkungen für Menschen vor Ort zu sehen. Ich glaube, dass die etablierten Parteien in den vergangenen Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten, teilweise die Verbindung verloren haben. Die Tatsache, dass die Extreme bei der Bundestagswahl eher die strahlenden Sieger waren, hängt unmittelbar damit zusammen. Politische Diskussionen haben sich teilweise entkoppelt. Das will ich ändern, deshalb spreche ich gerade mit vielen Menschen, ganz bewusst auch mit denen, die nichts mit der FDP zu tun haben.
Frage: Was sagen Ihnen denn die Leute so, die nichts mit der FDP zu tun haben?
Dürr: Die sagen mir, dass sie möchten, dass der Staat klar sagt, welche Aufgaben er leistet und welche nicht. Aber das, was der Staat eigentlich leisten soll, muss endlich wieder funktionieren.
Frage: Machen wir es doch mal konkret.
Dürr: Gern. Alle Eltern und Schüler betrifft die Frage, wie gut unser Schulbetrieb funktioniert. Deshalb müssen wir uns deutschlandweit auf konkrete Dinge verständigen – unabhängig davon, dass wir 16 Bundesländer, 16 Kultusminister und eine zuständige Bundesministerin haben. Auf diese Dinge müssen Eltern und Schüler sich dann auch verlassen können. Jedes Kind, das die erste Klasse besucht, muss beispielsweise über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen.
Frage: Sonst?
Dürr: Wer die vor der ersten Klasse noch nicht hat, wird frühzeitig nachbeschult. Notfalls muss der Schulstart ein Jahr aufgeschoben werden. Es wäre sonst unfair gegenüber allen Schülern: Die einen kommen im Unterricht nicht richtig mit; und diejenigen, die Deutsch als Muttersprache haben, können nicht ausreichend gefördert werden. Deshalb muss der Staat dafür sorgen, dass das funktioniert – egal, ob in Bayern, im Landkreis Oldenburg oder in Berlin-Marzahn. Das darf nicht abhängig davon sein, welche Partei gerade eine Landesregierung stellt, das muss bundesweites klar sein.
Frage: Bildung wird also ein Kernthema der neuen FDP. Was noch?
Dürr: Mit dem demographischen Wandel haben wir eine Herausforderung, für die niemand was kann. Das ist nicht die Schuld irgendeiner Generation, der Jüngeren oder Älteren. Das ist, wie es ist. Wie schaffen wir es, dass wir jungen Menschen, die ins Arbeitsleben einsteigen, sagen können: Du wirst auch eine sichere Altersvorsorge haben. Das ist ein Thema, um das sich andere Parteien zurzeit drücken. Die Bundesregierung aus Union und SPD hat keinen Plan, außer am Ende immer mehr Geld aus dem System zu verteilen.
Frage: Wie lautet Ihrer?
Dürr: Wir haben das Konzept einer Aktienrente entwickelt. Im jetzigen System wird ein junger Mensch, der einen geringeren Lohn hat, nach dem Berufsleben eine Rente haben, die nicht zur Alterssicherung reicht. Wie wäre es, wenn wir so jemandem die Möglichkeit geben, eine kapitalgedeckte Rente zu bekommen.
Frage: Sie wollen die jungen Geringverdiener also aus der Allgemeinen Rentenversicherung herausnehmen?
Dürr: Das sollten wir diskutieren, ja. Ich weiß, dass ich dafür heftige Kritik ernten werde. Aber Menschen in unteren Lohngruppen haben sich ganz bewusst für den Arbeitsmarkt, für das Arbeiten, für das Leisten und gegen die Grundsicherung entschieden. Und dass diese Leistungsbereitschaft nicht honoriert wird, ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Würde man ihnen erlauben, die Rentenabgaben in kapitalgedeckte Systeme zu investieren, hätten sie am Ende eine absolut auskömmliche Rente im Alter und wären nicht darauf angewiesen, zum Staat zu gehen. Das wäre ein Gamechanger für junge Menschen.
Frage: Ihre Beiträge würden aber im System fehlen, denn damit werden ja die aktuellen Renten finanziert.
Dürr: Das, was an Beiträgen dann nicht mehr in die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt würde, ist nur ein Bruchteil dessen, was die neue Koalition jetzt über die sogenannte Mütterrente zusätzlich ausgeben will. Man kann sich um Antworten herumdrücken, aber es ist unehrlich und die Menschen merken es, wenn Politiker nicht ehrlich sind.
Frage: Arbeitsministerin Bärbel Bas will stattdessen Beamte und Selbstständige in die Rentenversicherung zwingen. Was halten Sie davon?
Dürr: Man muss sich nur mal die Fakten anschauen: Der durchschnittliche Selbstständige in Deutschland ist etwa 50 Jahre alt, der durchschnittliche Arbeitnehmer 44 Jahre alt. Der Vorschlag von Frau Bas macht das System nicht jünger oder tragfähiger. Ganz im Gegenteil, denn diejenigen, die einzahlen, haben ja später auch Ansprüche. Es wird ohne ausreichende Kapitaldeckung nicht funktionieren. Also müssen wir jetzt anfangen, das zu ermöglichen.
Frage: Gäbe es durch Zuwanderung mehr junge Arbeitnehmer, würde das System auch weiter funktionieren.
Dürr: Das große Problem ist, dass in Deutschland ein Großteil der Migration in die sozialen Sicherungssysteme stattfindet. Von vier Personen, die zu uns kommen, kommen drei ins Asyl- und Flüchtlingssystem und nur eine Person in den Arbeitsmarkt. Schweden macht es genau umgekehrt. Deshalb muss gelten: Es muss leichter sein, nach Deutschland zu kommen, um zu arbeiten, als nach Deutschland zu kommen, um nicht zu arbeiten.
Frage: Was sollten wir uns dazu von Schweden abschauen?
Dürr: Die Schweden geben bei der Frage einen klareren Kurs vor. Es ist ein Fehler, dass wir nach wie vor das Versprechen ausgeben, dass Menschen, die sich um Asyl- oder Flüchtlingsstatus in Deutschland bewerben oder das beantragen, automatisch in ein System kommen, was Sozialleistungen zahlt.
Frage: Das sagen nicht „wir“, sondern das Bundesverfassungsgericht.
Dürr: Wir haben durchaus Möglichkeiten, indem wir beispielsweise sagen, es gibt eine Unterbringung plus Taschengeld. Aber wir müssen nicht alles in Barleistung ausgeben. Deswegen haben wir damals so darauf gedrängt, die Bezahlkarte einzuführen. Man mag das ja als sozial gerecht empfinden, wenn der Staat Barleistungen auszahlt. Ich halte das für falsch. Integration funktioniert über den Arbeitsmarkt, dieses Mindset brauchen wir! Das jetzige Asylsystem steht Integration im Wege.
Frage: Wie sieht denn der typische FDP-Wähler bei der nächsten Bundestagswahl aus?
Dürr: Der typische FDP-Wähler ist vor allen Dingen daran interessiert, sein Leben selbst in der Hand zu haben und selbst Entscheidungen zu treffen. Das ist keine Frage der Einkommensklasse, das ist auch keine Frage des Milieus, sondern nur der persönlichen Lebenseinstellung. Der FDP-Wähler erwartet, dass der Staat funktioniert, aber er erwartet nicht, dass der Staat bis ins kleinste Detail alles für ihn regelt. Mit dieser Lebensphilosophie ist man bei uns richtig. Und es gibt Millionen Menschen in Deutschland, die genau so eine Lebenseinstellung haben.
Frage: Aber viele haben vielleicht das Gefühl, nicht genug Geld zu verdienen, damit die FDP die Partei ihrer Interessen ist.
Dürr: Das ist natürlich ein Irrtum, weil das keine Frage der Einkommensklasse ist, sondern der Lebenseinstellung. Ich finde es immer bemerkenswert, wenn manche Politiker in Berlin vom kleinen Mann oder von mir aus von der kleinen Frau und dem kleinen Mann reden. Das ist ein abwertender und geradezu herablassender Blick auf die Bürger. Gerade auch Menschen mit niedrigem Einkommen und am Anfang ihres Berufslebens sind ja selbstbewusst und haben eigene Ideen für ihr Leben. Und wir kämpfen für Ihre Freiheit, diese auch zu verwirklichen.
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Über die Neuaufstellung der FDP, die Aktienrente und Entlastungen für Menschen mit geringem Einkommen.