DÜRR-Statement: Es braucht lebensnahe Antworten auf die konkreten Bedürfnisse der Menschen
Gast (nicht überprüft)
Di., 03.06.2025 – 14:00
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Dürr gab im Nachgang zur Klausur des Präsidiums der Freien Demokraten das folgende Statement ab:
Dürr: „Ich würde gerne drei Punkte ansprechen. Als erstes die aktuelle Tagespolitik, und zwar zum gestrigen Urteil des Verwaltungsgerichts in Berlin zu Zurückweisungen an den deutschen Grenzen. Es war ja eine zentrale Maßnahme, insbesondere im Wahlkampf für die Union, für eine härtere Migrationspolitik in Deutschland einzutreten. Das ist jetzt von einem deutschen Gericht gekippt worden, und zwar nicht einmal vier Wochen nach der Wahl des Bundeskanzlers. Die Union hat viele Versprechungen gemacht, insbesondere im Bereich der Migrationspolitik, und ist jetzt erst mal auf dem Boden der Realität gelandet. Viele der Ziele teile ich ausdrücklich. Wir brauchen mehr Ordnung und Kontrolle in der Migrationspolitik.
Die Migrationspolitik ist nach wie vor eines der Themen, das die Menschen in Deutschland umtreibt. Aber wenn bereits der erste Schritt zu einer anderen, auch härteren Migrationspolitik gerichtlich gekippt wird und scheitert, zeigt das, dass das Vorgehen der Union und des Bundesinnenministers offensichtlich nicht besonders durchdacht war. Mein Eindruck ist, dass Herr Merz, wie auch teilweise in der Vergangenheit schon, hier mit dem Kopf durch die Wand wollte. Aber das löst ja in Wahrheit kein echtes Problem. Dabei ist es eben zentral, mehr Ordnung und Kontrolle in die Migrationspolitik zu bringen. Aus meiner Sicht ist das auch eine Frage der Glaubwürdigkeit der Politik von CDU und CSU. Hier wurden zahlreiche Veränderungen versprochen. Die gibt es jetzt in der Realität eben nicht. Aus meiner Sicht ist die neue Bundesregierung jetzt in der Pflicht, hier zu liefern. Eine konsistente, rechtssichere Politik, die Ordnung und Kontrolle mit Rechtssicherheit verbindet.
Man lässt jetzt auch die Grenzpolizisten ein Stück weit im rechtsunsicheren Raum zurück. Das kann man aus meiner Sicht gerade als Bundesregierung nicht tun. Denn es kann nicht sein, dass jetzt die rechtliche Last bei denjenigen liegt, die an den Grenzen ihre Arbeit verrichten. Die Bundesregierung muss darüber sprechen, wie Gründe abgestellt werden, weshalb Menschen durch Europa reisen und nach Deutschland wollen. Es ist insbesondere auch der Sozialstaat, der nach wie vor wie ein Magnet funktioniert. Meine Empfehlung an die neue Bundesregierung ist, sich darüber zu unterhalten, wie dieser Magnet abgestellt werden kann. Manche der Dinge und Maßnahmen, die angekündigt waren, wären nicht nötig, wenn man es hinbekommen würde, dass man genau diesen Magneten abschaltet.
Der zweite Punkt, den ich ansprechen will, ist die aktuelle Debatte zu Waffenlieferungen Deutschlands an die israelische Armee. Der Bundesaußenminister hat ja angekündigt, die Waffenlieferungen an Israel überprüfen zu wollen. Ich will an der Stelle deutlich sagen: Es ist erlaubt, Kritik an dem Regierungshandeln in Israel zu üben. Und die humanitäre Lage und das Leid der Menschen in Gaza erschüttert uns, aber garantiert auch die Menschen in Israel. Gleichzeitig halte ich es für ausdrücklich falsch, dass ein deutscher Außenminister Waffenlieferungen an Israel jetzt in Frage stellt.
Israel als Staat bleibt ein enger Freund und Verbündeter. Auch wenn wir mit manchem Vorgehen im Gazastreifen nicht einverstanden sind, muss dieser Konsens aus meiner Sicht in der Bundesregierung bestehen bleiben. Die israelische Armee bleibt eine Armee, die die Freiheit und die Sicherheit des jüdischen Staates garantiert. Und deswegen braucht es auch weiterhin hier die Unterstützung mit militärischem Material aus Deutschland. Ich fordere die Union auf, zu dem bundesrepublikanischen Konsens zurückzukehren, den auch Vorgängerregierungen hatten, dass Waffenlieferungen an Israel nicht als Druckmittel eingesetzt werden.
Der dritte Punkt, den ich ansprechen will, sind die vorhin schon zitierten Gremiensitzungen der Freien Demokraten. Wir hatten in den letzten zwei Tagen eine Klausurtagung des FDP-Bundespräsidiums und eine Sitzung des Bundesvorstandes. Wir haben uns dabei auch erste Leitplanken für den durch mich bereits angekündigten Grundsatzprogrammkonsensprozess festgelegt und auch die Zuständigkeiten innerhalb des FDP-Präsidiums definiert. Mein Ziel ist, dass wir ein lebensnahes Grundsatzprogramm entwickeln, das keinesfalls ausschließlich philosophische Grundsätze der Liberalen definiert, sondern ganz lebensnah Antworten auf die konkreten Bedürfnisse der Menschen liefert. Was bedeutet Freiheit konkret für den Einzelnen? Wir sehen ja, dass die neue Bundesregierung beispielsweise bei der großen Frage der Alterssicherung, der demographischen Herausforderungen des Landes, die notwendigen Debatten und auch die notwendigen Konzepte in Regierungskommissionen verschiebt. Das ist aus meiner Sicht falsch.
Wir wollen konkrete Antworten. Ich will es an dem Beispiel deutlich machen: Wenn jemand, der den Mindestlohn in Deutschland verdient, hart in Vollzeit arbeitet, 45 Jahre lang, und dann in den Ruhestand eintritt, erhält er eine Rente, die unterhalb der Grundsicherung liegt. Wie wäre es, wenn wir es solchen Menschen ermöglichen, das, was sie ursprünglich in das Umlagesystem eingezahlt hätten, in kapitalgedeckte Anlagen zu investieren? So jemand würde dann mit einem Kapitalstock von fast einer Million Euro in den Ruhestand eintreten und könnte sich im Alter selbst versorgen. Also mehr Freiheit, mehr Eigenverantwortung führen dazu, dass es den Menschen im Alter besser geht und führen zu einer Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme, insbesondere der Rente. Wir müssen hier größer denken und das wollen wir auch als Freie Demokraten tun.
Zum Zeitplan: Wir planen, jetzt einen Grundsatzprogrammprozess zu starten. Mein Ziel ist, dass wir auf einem Bundesparteitag im Mai nächsten Jahres bereits einen Beschluss darüber fassen werden. Wir haben dazu auch klare Zuständigkeiten. Das Präsidiumsmitglied Florian Toncar wird den Grundsatzprogrammprozess an dieser Stelle eng begleiten und führen. Wir wollen aber auch unsere Gremienarbeit ändern. Ich möchte, dass die Gremien der FDP auf der Bundesebene echte Arbeitsgremien werden – mit klaren Zuständigkeiten für die Erneuerung unserer Partei. Wir wollen inhaltlich die modernste Partei sein, aber auch organisatorisch. Für die Erneuerung der Partei wird Svenja Hahn als stellvertretende Bundesvorsitzende zuständig sein. Ich möchte, dass die Mitglieder der Führungsspitze und auch des Bundesvorstandes durch Deutschland reisen und ins Gespräch kommen mit unseren Parteimitgliedern, aber auch mit den Menschen vor Ort. Der Programmprozess wird einer sein von öffentlichen Veranstaltungen.
Denn eins haben wir in den letzten Wochen gelernt: Wir haben mit vielen Menschen in Deutschland gesprochen, innerhalb unserer Partei, aber auch außerhalb. Die Frustration über die Politik der Parteien der Mitte ist weitverbreitet – ein Grund, warum die Ränder gestärkt aus der Bundestagswahl hervorgegangen sind. Udo di Fabio spricht von einer teilweise konzeptionell entleerten Mitte. Diese entleerte Mitte wollen die Freien Demokraten mit neuen Ideen füllen. Aber das geht nur im Dialog mit den Menschen. Deswegen ist mein Ziel, dass wir als Politik nicht nur senden, sondern dass wir zuhören, was die Sorgen und Nöte der Menschen sind und daran auch ausrichten, welche konkreten Antworten die Freien Demokraten hier geben können.
Denn es ist uns nicht egal, dass sich die Menschen immer weniger von der Politik verstanden fühlen. Darauf wollen wir Antworten geben. Denn ohne Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Demokratie kann sie nicht funktionieren. Die Menschen haben es satt, dass Politiker immer nur senden. Sie wollen, dass wir uns um die konkreten Sorgen und Nöte der Menschen kümmern. Das wollen wir adressieren. Deswegen wollen wir an dieser Stelle als Partei den Hebel umlegen und Formate entwickeln, in denen nicht wir reden, sondern wir die Menschen reden lassen mit dem Ziel, daraus neue Konzepte und Ideen für unser Land zu entwickeln.“
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Statement der Freien Demokraten